Medikamenten-Missbrauch unter Jugendlichen
Was Eltern wissen sollten
31.08.2021
Mehrere Dutzend Todesfälle in den letzten drei Jahren haben gezeigt, dass der Medikamenten-Missbrauch unter Jugendlichen tragische Folgen haben kann. Medikamente mit Abhängigkeitspotential sind leicht zugänglich und werden oft mit anderen Substanzen gemischt. Wenn Eltern vom Medikamenten-Missbrauch ihrer Kinder erfahren sind sie meist völlig überrascht und fühlen sich hilflos. Doch Eltern können bedeutenden Einfluss nehmen. Die neue Broschüre von Sucht Schweiz zum Thema klärt auf und gibt wichtige Tipps zum Gespräch mit den Jugendlichen.
Der Konsum von psychoaktiven Medikamenten findet oft im Ausgang und in Gruppen von Gleichaltrigen statt. Der Medikamentenkonsum geht meist unter dem Radar der Eltern durch, diese sind in der Regel überrascht und bestürzt, wenn sie erfahren, dass ihre Kinder solche Medikamente missbrauchen. Dabei stehen Benzodiazepine (Beruhigungsmittel), Codein/Dextromethorphan (Hustensirupe) und opioidhaltige Schmerzmittel im Fokus.
Die Beschaffung solcher Medikamente erfolgt bisweilen im Medikamentenschrank der Eltern. Relativ einfach ist der Zugang heute auch über Soziale Medien oder im Freundeskreis. Manche Jugendliche beschaffen sich die Medikamente auch in Apotheken oder im Darknet.
Tipps für Eltern
Mit finanzieller Unterstützung des Nationalen Alkoholpräventionsfonds und der Gesundheitsdirektion des Kantons Waadt stellt Sucht Schweiz nun wichtige Hilfsmittel für Eltern zur Verfügung. Denn viele Eltern fühlen sich unsicher, wie sie denn mit den Jugendlichen das Gespräch suchen können, sei es zur Prävention oder wenn man das Gefühl hat, dass etwas nicht stimmt. In der Kommunikation mit den Jugendlichen ist es dabei zentral, keine Vorwürfe zu machen, sondern der eigenen Besorgnis Ausdruck zu verleihen und eine klare Haltung zu vertreten: Mit Medikamenten zu experimentieren ist zu gefährlich.
Mit der Broschüre zum Missbrauch von Medikamenten werden die Eltern auch über die Medikamente, die Einnahmemotive und die Risiken aufgeklärt und erhalten wichtige Tipps, was sie tun können. Zum Beispiel sollten Medikamente an einem unzugänglichen Ort aufbewahrt werden. Ein wichtiger Aspekt ist zudem die eigene Haltung und der Umgang mit Arzneimitteln: Werden negative Gefühle und kleine Beschwerden gleich mit Medikamenten bekämpft? Die Broschüre vermittelt auch Ideen, wie die dem Medikamenten-Missbrauch manchmal zu Grunde liegenden Bedürfnisse auf risikofreie Art befriedigt werden können: Zum Beispiel mit dem Einüben eines anderen Umgangs mit negativen Gefühlen oder mit Leistungsdruck, oder auch durch das Schaffen von starken Erlebnissen in der Freizeit.
Bei der Kommunikation mit den Jugendlichen kann auch der gleichzeitig herausgegebene Flyer für Jugendliche hilfreich sein. Die Broschüre und der Flyer eignen sich ideal zum Verteilen durch Schulen, an Elternabenden oder durch Fachstellen.
Auch strukturelle Massnahmen werden nötig
Neben der Prävention im Elternhaus sind aber gleichzeitig die Behörden gefordert: Auch auf politischer und rechtlicher Ebene muss etwas gehen. Zum Beispiel sollte für alle codein- und dextromorphanhaltigen Arzneimittel eine Rezeptpflicht eingeführt werden. Zudem sollten solche Medikamente in der Verordnung über die Verzeichnisse der Betäubungsmittel nicht mehr Ausnahmen von der strengsten Kontrolle geniessen dürfen.
Der Konsum nimmt zu und kann tödlich sein
Laut der SchülerInnenstudie Health Behaviour in School-aged Children (HBSC) haben im Jahr 2018 4.5% der 15-jährigen Buben und 4.1% der gleichaltrigen Mädchen mindestens einmal im Leben Medikamente genommen, um psychoaktive Effekte zu erleben. Bei den Buben bedeutet dies eine klare Steigerung im Vergleich zum Jahr 2006.
Zu den Gefahren von missbräuchlichem Medikamentenkonsum gehören eine erhöhte Risikobereitschaft, Unfälle und eine Suchtentwicklung, aber auch soziale Probleme. Mischkonsum (mit Alkohol, Cannabis oder anderen Drogen) ist besonders riskant. Er erhöht das Risiko für schwerwiegende Vorfälle oder gar Todesfälle durch Herzkreislaufprobleme und Atemstillstand, wie mehrere Dutzend Todesfälle unter jungen Menschen in den letzten drei Jahren zeigen.